“Ich habe eine Menge dazugelernt”
Lothar Späth besuchte als Schulpate die Praktikanten der Gustav-Werner-Schule
»Für mich war es auch ein Praktikum. Ich habe eine Menge dazugelernt«, meinte Lothar Späth am Montag in der Gustav-Werner-Schule in Walddorfhäslach. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident hatte als Schulpate dreimal die Grund- und Hauptschule besucht. Und was hat er mitgenommen? Walddorfhäslach sei »ein ganz spannendes Modell«. Hier würden alle, von den Gewerbetreibenden über die Vereine und Lehrer bis hin zur Bürgermeisterin, für die Zukunft der Schüler an einem Strang ziehen.
Das Ergebnis der Zusammenarbeit beeindruckte den Wirtschaftsexperten. Von den 16 Hauptschulabgängern in Walddorfhäslach steht keiner auf der Straße. 60 Prozent der Schüler haben einen Ausbildungsplatz, der Rest geht auf eine weiterführende Schule, um die Mittlere Reife zu erlangen.
Bereits in der 8. Klasse lernen die Schüler in wöchentlichen Praktika fünf bis sechs verschiedene Berufe kennen. Über 70 Gewerbetreibende, hauptsächlich in Walddorfhäslach, sind an dem Kooperationsmodell mit der Gustav-Werner-Schule beteiligt.
Am Montag nun sah sich Späth die Ausbildungsplätze vor Ort an und sprach mit den Schülerinnen und Schülern über ihre Erfahrungen. Erste Station war eine Anwaltskanzlei in Reutlingen. Dort schnuppert derzeit die Hauptschülerin Asya Kara in den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten hinein.
»Es macht mir sehr viel Spaß hier. Der Beruf hat mich von Anfang an interessiert«, berichtet sie Lothar Späth. Aber eigentlich hätte Asya Kara als Hauptschulabgängerin gar keine Chance, in diesem Beruf unterzukommen. Sie bräuchte dafür den Realschulabschluss, wie Volker Stähle, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Walddorfhäslacher Gewerbevereins, erklärt.
Es sei ganz wichtig für die Schüler, dass sie auch mit Berufsbildern konfrontiert würden, für die sie noch weitere Qualifikationen brauchen, betonte Späth. Sie entdeckten dadurch neue Alternativen und sähen, »das und das muss ich noch alles machen«. Dies helfe letztlich auch bei der entscheidenden Frage, »was will ich beruflich eigentlich?«.
Am (guten) Beispiel der Walddorfhäslacher Schule fordert Späth deshalb, einzelnen Schultypen mehr Spielraum zu geben. Es wäre ein Fehler, wenn man jetzt die Hauptschule aus dem Bildungssystem herausnehme. »Es ist viel zu wenig Dynamik drin im Schulbereich, es wird zu wenig experimentiert«, sagt Späth, der das gesamte Schulsystem für ideologisch zu überfrachtet hält.
Von Reutlingen zog der Tross, dem sich viele Walddorfhäslacher Gemeinderäte, Gewerbetreibende und Lehrer angeschlossen hatten, zurück ins Unteramt. Dort waren die weiteren Stationen die KA-Schreinerei in Häslach, die Kaufmann Neuheiten GmbH und die Druckerei Böttler in Walddorf. In all diesen Betrieben sprach Späth ausgiebig mit den Praktikanten Melanie Klemm, Denise Heim und Kevin Hofer von der Gustav-Werner-Schule. Und den Schülern gab Späth noch den Rat mit auf den Weg, offensiv zu sein: »Seid neugierig. Verlangt eurer Umgebung Antworten ab.«
Auch in anderen Schulen, in denen es vielleicht nicht so ideal laufe, sollten die Schüler mutig sein und die Lehrerschaft fragen, warum »machen die das und wir nicht?«.
Die Gustav-Werner-Schule hatte bei dem Wettbewerb »Stars für die Schule« der Zeitschrift »Focus Schule« den ersten Platz in der Kategorie »Wirtschaft« belegt. Der »Star« für die Walddorfhäslacher Schule war Lothar Späth. (GEA)